Über meine Schweißdrüsen habe ich ja nun schon alles erzählt, was es zu berichten gäbe.
Ich habe viel zu viele und allesamt sind voll funktionsfähig. Nicht umsonst hat der dicke Mann inzwischen von liebenswerten Freunden den Beinamen „Ölprinz“ erhalten. Immer dann, wenn der Puls durch die Decke schießt – also dann, wenn ich zu Fuß gehe oder bei einer Spiel-des-Jahres-Verleihung bin –
scheinen die kleinen Drüsen in die Welt hinaus schreien zu wollen: „Hier bin ich, guckt mal was ich kann!“.
Anfang Juni war wieder einmal „Spiel-des-Jahres-Verleihung“ und wir sind zu Fuß dort hin gegangen.
Ich muss nicht näher darauf eingehen, wie ich nur Sekunden nach der Ankunft im Hotel Atlantic Kempinski aussah.
Das soll es nun aber auch in Sachen Hyperhidrose – wie der Ölprinz gerne fachsimpelt – gewesen sein,
denn eigentlich will ich Euch von einem weiteren Highlight unserer Spieleautorenkarriere berichten.
Alles fing am 21. Mai diesen Jahres an. Wie wohl jeder halbwegs Interessierte in der Branche, saßen auch wir an diesem Morgen
mit dem Laptop bewaffnet am Küchentisch und drückten – ähnlich wie die Idioten in „Lost“ – unaufhörlich auf den F5-Knopf der Tastatur.
Die Jury „Spiel des Jahres“ wollte an jenem Morgen die Nominierungslisten veröffentlichen und wir waren zugegebener Maßen sehr
gespannt, ob vielleicht auch eines unserer Spiele den Sprung nach ganz oben geschafft hat.
Fast eine Stunde früher als im letzten Jahr tauchten dann die Nominierungslisten auf der Homepage der Jury auf.
(Der aufmerksame Leser stellt gerade fest, dass die bekloppten Brands also auch schon eine Stunde früher als sonst nahezu sekündlich die F5-Taste gedrückt
haben müssen – zum Glück nur der aufmerksame Leser, den übrigen dürfte es entgangen sein)
Unglaublich aber wahr, neben einem Platz auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres für unser „La Boca“, hat es „Der verzauberte Turm“ beim Kinderspiel des
Jahres sogar aufs Treppchen, also auf die Nominierungsliste geschafft!
Fortan konnten wir F5 F5 sein lassen und konzentrierten uns nur noch darauf, dass die älteren Herrschaften aus der betreuten Wohnanlage von gegenüber nicht die Polizei riefen, weil sie in der Nachbarschaft kreischende und um den Küchentisch hüpfende Erwachsene erblickten. Wir sind dieses Mal einfach ins Wohnzimmer ausgewichen, haben die hausinterne „Toben nur oben“-Regel außer Kraft gesetzt und die Couch zum Freudentrampolin umfunktioniert!
Nachdem wir dann endlich begriffen hatten, dass wir nun das dritte Jahr in Folge und insgesamt sogar das vierte Mal eines der nominierten Spiele stellen durften, haben wir uns – wie in den zurückliegenden Nominierungsjahren auch – gleich die Spiele der Mitstreiter bestellt, um zu schauen, mit wem wir es da aufnehmen müssen.
Tagsdrauf brachte der freundliche Paketmann dann „Mucca Pazza“ und „Gold am Orinoko“ zu uns und in meiner Mittagspause verhängten wir dann kurzer Hand ein Hausaufgabenverbot für Emely, so dass wir gleich losspielen konnten.
Beide Spiele wurden ausgiebig getestet, um sich dann dem Urteil der fachkundigen Jury, bestehend aus unserer Tochter, zu stellen.
Es fiel wie folgt aus: „Mama, Papa – Euer Spiel wird es sehr schwer haben, in Hamburg!“
Zugegeben: Es war nicht das, was wir hören wollten, aber es fiel doch deutlich besser aus als beispielsweise ihr Urteil aus 2008, als sie uns sagte, das „Wer war´s“ tausend Mal besser sei als „Fluss der Drachen“ oder 2011, als wir uns anhören mussten, dass „Da ist der Wurm drin“ garantiert das Kinderspiel des Jahres würde.
Emely hat stets einen guten Riecher bewiesen und dieses Jahr schickte sie uns zumindest nicht chancenlos nach Hamburg.
Am 9. Juni ging es dann in die Hansestadt. Wie in jedem Jahr sollte auch 2013 wieder im Vorfeld der Preisverleihung ein geselliger Abend mit Jury und Nominierten (Verlagsvertreter, Redakteure und Autoren) im Hotel Atlantic stattfinden.
Wenn man in der Lage ist, den eigentlichen Grund für das Zusammentreffen – also die Preisverleihung am nächsten Morgen – auszublenden, mag das tatsächlich ein sehr geselliger Abend sein. Bis dahin braucht es aber seine 17 bis 23 Gläser Rotwein und Verona Poth an der Hotelbar. Beides war uns vergönnt, so dass wir ab ca. 0.25 Uhr dann auch tatsächlich total relaxt waren und den Abend genießen konnten. Schade nur, dass die Veranstaltung um 0.30 Uhr zu Ende war.
Spaß beiseite. Der Abend war rundum gelungen und hier und da konnten wir sogar mal den Grund unseres Kommens verdrängen – zum Beispiel als ich mit dem Geschäftsführer der Schmidt-Spiele GmbH über die familiäre Situation bei den Blocksbergs diskutiert habe. Meine Schwester und ich konnten es bis heute nicht wirklich verarbeiten, dass Bernhard und Barbara Blocksberg ihren Sohn Boris wegen einer Asthma-Erkrankung in Folge 9 einfach auf Lebzeit in eine Kur an die Ostsee verbannten und fortan nur noch mit Tochter Bibi in Neustadt – dem Nabel der Welt – vor sich hin hexten…wie kann man denn den eigenen Sohn so in Vergessenheit geraten lassen. Ich bin mir sicher, mein Appell hat Wirkung gezeigt. Wenn auf der nächsten Bibi-Themen-Konferenz keine Köpfe rollen, dann weiß ich es auch nicht.
Also, liebe Leser, sollte Boris Blocksberg in einer der nächsten Folgen zumindest mal ´ne Postkarte von der Ostsee schicken, dann wisst ihr, wem ihr das zu verdanken habt!
Ein weiteres Mal geriet die Preisverleihung vollends in Vergessenheit, als ich mich über das Dessertbuffet hermachte. Da gab es diese köstliche Vanille-Schoko-Creme mit roter Grütze. Lecker schmeckte die Fruchtsoße, himmlisch war die Vanille-Creme und entsetzlich der Schokopudding. Was nämlich nach einer fluffig-köstlichen Schokosünde aussah, erwies sich als zerbröseltes Schwarzbrot.
Das Gesicht eines Feinschmeckers, der Schokolade erwartet und Schwarzbrot bekommt, spricht Bände…Inka hätte mir vor Lachen fast ihren Kaffee übers Sacko gehustet.
Letztlich waren es aber doch die vielen, netten Gespräche mit genauso vielen und netten Menschen, die diesen Abend wieder zu einem rundum gelungenen Event gemacht haben.
Der unendlich lange Fußmarsch bis ins Hotelzimmer (es waren definitiv mehr als 200 Meter) spülte dann den Rotwein wieder über oben genannte Drüsen gefiltert und gereinigt aus dem Körper und im Bett angekommen war die ganze mühsam antrainierte Entspannung schlagartig wieder dahin. Wir hatten eine traumhaft schöne Zimmerdecke, wie ich bis mindestens 2 Uhr und ab 5.30 Uhr dann wieder minütlich feststellen konnte.
Wer denkt, dass man bei der vierten Verleihung zum Spiel des Jahres doch langsam mal Routine haben und das Ganze gelassener nehmen müsste, der ist wahrscheinlich auch der Ansicht, dass der weiße Hai nur in Teil eins zubeißt und in den Teilen 2 und 3 dann zum neuen Flipper mutiert.
Gegen 9.30 Uhr begann die Generalprobe zur Pressekonferenz. Wir haben zusammen mit der Jury-Vorsitzenden Sabine Koppelberg, sechs wirklich süßen Kindern einer Grundschule aus Hamburg und den übrigen Nominierten die komplette Pressekonferenz einmal durchgespielt…die Spiele wurden vorgestellt, die Nominierten Autoren und Redakteure kamen zur Stellprobe auf die Bühne. Alles wie bei einer richtigen Generalprobe bis hin zur Bekanntgabe des Preisträgers…da wurde dann natürlich abgebrochen. Sabine Koppelberg erklärte dann, dass später bei der Pressekonferenz das schwarze Tuch angehoben würde und darunter das Siegerspiel sichtbar würde. Die Gewinner sollten dann bitte auf die Bühne kommen, um für Fotos bereit zu stehen…. Was war das? „Inka, hast du das auch gesehen? Die hat dich doch angeguckt, als sie das Wort `Gewinner´ in den Mund genommen hat…das rede ich mir doch nicht ein.“ „Die hat mich angeguckt, aber die anderen auch.“ „Natürlich hat sie auch die anderen angeguckt, aber als sie `Gewinner´ sagte, hat sie eben nur dich angeguckt!“ „Im Leben nicht!“ „Im Leben doch!“ „Psst jetzt, sie sagt noch was…“ Dann wurden wir gebeten, den Saal zu verlassen, damit die letzten Vorbereitungen getroffen werden konnten. Das Gewinner-Spiel wurde unter jenem schwarzen Tuch versteckt und ein handwerklich begabtes Jurymitglied musste das Metallschildchen mit dem Siegertitel noch auf die Trophäe – den von der Branche so heiß geliebten Holzpöppel – klöppeln (Wir haben übrigens inzwischen herausgefunden, dass die Jury von allen nominierten Spielen im Vorfeld Schildchen hat anfertigen lassen. Im letzten Jahr vertraten wir ja noch die Meinung, dass sonntags abends ein armes Wesen irgendwo im dunklen Kämmerlein hektisch den Gravurpinsel – oder wie immer man diese Gerätschaft nennen mag – schwingen muss. Das konnte im Sinne aller Gravurpinselschwinger widerlegt werden. Betriebsrat und Gewerkschaft müssen nicht eingeschaltet werden, niemand hat sonntags abends im Dunkeln und unter Zeitdruck gravieren müssen! Streikpläne können umgehend wieder verworfen werden).
Im Nebenraum sollten wir dann noch ewig lange 25 Minuten Zeit haben, um auszudiskutieren, ob sie beim Wörtchen `Gewinner´ tatsächlich Inka anschaute oder ob wir uns aufgrund der in der letzten Nacht entfallenen Tiefschlafphase inzwischen im Silberblickmodus befinden und uns dehalb im Moment eigentlich jeder irgendwie anschaut.
Pünktlich um 10.30 Uhr begann die Pressekonferenz. Fortan schmorte der Ölprinz im eigenen Saft und die Prinzessin hielt seine Hand, sofern sie nicht abrutschte. Je länger die Verleihung dauerte, desto angespannter waren wir. Dann sollte es soweit sein. Nach einem unendlich langen 10-Sekunden-Countdown sollten wir endlich wissen, wer das Kinderspiel des Jahres gewinnt. 10 Sekunden, in denen sich bei uns so ziemlich alles staute, was es zu stauen gab: Blut…Schweiß…Sauerstoff…Pulsschlag…Stimme…Bewegung…
Wir waren so aufgeregt, dass wir vermutlich bei der Nennung egal welchen Titels sofort losgebrüllt hätten, um unserer Anspannung Luft zu machen. Das hätte ein peinliches Ende nehmen können.
Doch – dem Himmel sei Dank – Sabine Koppelberg rief: Das Kinderspiel des Jahres 2013 ist „Der verzauberte Turm“! Schreien, Hüpfen, Knutschen, Umarmen…ich hoffe, ich habe in meiner Euphorie nicht die falsche Frau geküsst…doch wenn ich es mir recht überlege…abgesehen von Inka waren da nur hüpfende Kerle! Riesige Freude bei allen Beteiligten. Axel Kaldenhoven als Geschäftsführer von Schmidt-Spiele, Thorsten Gimmler für die Redaktion, Rolf Vogt als Illustartor – alle außer Rand und Band.
Was dann kam, haben wir nur noch als „Dauergrinsen“ in Erinnerung. Und das Grinsen war gar nicht aufgesetzt, das kam einfach von ganz allein! Ein riesengroßer Traum wurde wahr!
Im Anschluss an die Preisverleihung haben wir noch zahlreiche Interviews geben dürfen. Dabei konnten wir feststellen, dass die Fragen beim Kinderspiel doch deutlich weniger kritisch waren, als die, die uns beim Kennerspiel erwartet hatten. Während wir im vergangenen Jahr noch zur „Herdprämie“ und zum „demographischen Wandel“ Stellung beziehen mussten, kam die kritischste Frage in diesem Jahr vom Mitglied der „roten“ Jury, Udo Bartsch, der Rabenhorsts Verhalten als äußerst unlogisch bezeichnete, weil der Idiot die Prinzessin erst im Turm einsperrt, um sie dann doch selbst zu befreien…Was sollen wir sagen? Recht hat er, Rabenhorst ist nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte!
Apropos Torte…zu Hause erwartete uns schon wieder eine riesige Überraschung. Erneut war unser Carport geschmückt und zudem gab´s eine traumhaft leckere, blaue „Pöppeltorte“ von unseren guten Freunden Anke & Steffen. Vielen Dank dafür!
Und noch Mal „apropos“ – Apropos Danke…Wir wollen uns an dieser Stelle ganz besonders bei unserer Redakteurin Claudia Geigenmüller bedanken, ohne die dieses Spiel nicht zu dem geworden wäre, was es heute ist. Claudia konnte in Hamburg nicht dabei sein, weil sie ein paar Tage zuvor ein Baby bekommen hat. Kurz nach der Preisverleihung erreichte uns eine MMS: ein Bild mit Claudia. In ihrem Arm die kleine Anna und „der verzauberte Turm“. Darunter der Text: „Meine beiden Hauptgewinne!“
Wir denken, schöner kann man diese Berichterstattung nicht enden lassen, oder?